Ausstellung „Steinreich“ erinnert an das Schneidhaus der Fugger

Vor der OP wurde gebetet

INGOLSTADT/AUGSBURG – Ohne Gottes Beistand kein Therapieerfolg – das war für Patienten des 16. Jahrhunderts ebenso klar wie für Chirurgen, Ärzte und Apotheker. Nicht zu vergessen die Stifter, die mit ihrer Großzügigkeit die finanzielle Basis für Hospitäler legten, zum Wohle bedürftiger Patienten, aber natürlich auch für das eigene Seelenheil. Oder ganz pragmatisch, um die eigenen wirtschaftlichen, kulturellen und persönlichen Ziele zu unterstützen.

Während die Fuggerei, die erste Sozialsiedlung der Welt, bis heute besteht und berühmt ist, ist eher unbekannt, dass die Fugger auch ein Schneidhaus stifteten, ein Hospital, das auf chirurgisch behandelbare Krankheiten spezialisiert war. Im Fall des Augsburger Schneidhauses waren das vor allem Brüche und Steinleiden. Aber auch Fisteln, Gewächse, Tumore oder Starleiden wurden behandelt, wie die Ausstellung „Steinreich“ im Deutschen Medizinhistorischen Museum (DMM) in Ingolstadt zeigt. 

Die Sonderschau erzählt die Geschichte des Augsburger Schneidhauses beziehungsweise der von Anton Fugger (1493 bis 1560) in seinem Sterbejahr mit 28 000 Gulden Eigenkapital ausgestatteten Steinhausstiftung. 

Nicht alle Patienten wurden operiert. Für Bruchleiden gab es als konservative Therapiemethode das Bruchband, das individuell angefertigt und angepasst wurde. Blasensteine waren ein häufiges und schmerzhaftes Übel, das vor allem junge Männer traf. Trübungen und Blut, Sand oder Grieß im Urin waren im Harnglas des Arztes oder Baders meist gut zu erkennen, was für einen ersten Verdacht ausreichte. 

Exemplarisch dargestellt wird der Leidensweg des 20-jährigen Ingolstädters Niclaus Kurtz, der im Fugger-Schneidhaus im Jahr 1624 „am Stein geschnitten“ wurde. Er erfüllte die Bedingungen der Fugger, war katholisch und als Halbwaise bedürftig, so dass er das benötigte Empfehlungsschreiben für das Schneidhaus erhielt. Auf Kurtz waren die Kuratorinnen der Ausstellung, Museumsleiterin Marion Maria Ruisinger, Annemarie Kinzelbach und Monika Weber, in einem Manuskript gestoßen. Es wurde im Jahr 2016 vom DMM erworben. Laut Verkäufer stammt es „vermutlich aus dem Steinschnitthaus der Fugger“ in Augsburg. Die bebilderte Handschrift ist das Herzstück der Ausstellung, die Ergebnisse aus dreijähriger Forschungsarbeit präsentiert. 

Himmlischer Beistand wurde nicht nur vom Patienten und seinen Angehörigen erfleht, sondern es war auch üblich, dass Arzt und Patient samt Helfern vor der Operation miteinander beteten. „Diese Bescheidenheit des Arztes war für uns auch überraschend – dass er deutlich machte, ohne Gott geht nichts“, sagt Marion Maria Ruisinger. „Andererseits traf den Chirurgen dann auch nicht die ganze Schuld, wenn etwas nicht gut verlief.“ 

Als Fürsprecher bei Gott boten sich unter anderem der heilige Rasso als Schutzpatron gegen Stein- und Unterleibsleiden und der heilige Liborius als Patron gegen Stein und Grieß an. 

Mit religiöser Erziehung

Die oft wochenlange Genesungszeit diente nicht nur der körperlichen Erholung, sondern – vor allem bei Kindern – auch der religiösen Erziehung, wie von den Fuggern gewünscht. Die Krankenpflegerin schlief mit in der Krankenstube, leistete auch seelischen Beistand, las ihren Schutzbefohlenen aus jesuitischen Schriften vor, betete mit ihnen den Rosenkranz und übte mit Kindern das richtige Bekreuzigen. Ihr Handwerkszeug, darunter Kindersaugflaschen aus Zinn, Arzneilöffel aus Schädelknochen, Krankenteller, Rosenkränze und eine Anleitung zum Bekreuzigen sind in einer Vitrine zu betrachten.

Andrea Hammerl

Information

Die Sonderausstellung „Steinreich“ im Deutschen Medizinhistorischen Museum in Ingolstadt ist bis 17. September zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr.

30.04.2023 - Bistum Augsburg